Geschichte der Evolutionstheorie
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Die große Krise des Darwinismus (2009)
- Darwins Evolutionstheorie hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein bewegtes Schicksal. Die Begeisterung, mit der viele Biologen die neue Idee nach der Publikation von Origin of Species (1859) in die unterschiedlichsten Bereiche der Naturforschung getragen hatten, die Euphorie, mit der sie aus dem Darwinismus ein umfassendes biologisches Forschungsprogramm gemacht hatten, war verflogen. Ernüchterung und Kritik, offene Probleme und ungeklärte Fragen rückten in den Vordergrund. Nach Ansicht vieler Zeitgenossen befand sich der Darwinismus nach der Jahrhundertwende sogar in einer schweren Krise. Nur mehr eine Minderheit der Biologen war noch von seiner Erklärungskraft überzeugt. Auch in der Öffentlichkeit war sein Ansehen auf einem Tiefpunkt angelangt und einige weltanschauliche Gegner, wie der Mitbegründer des evangelischen Keplerbundes Eberhard Dennert, sprachen bereits hoffnungsvoll vom „Sterbelager des Darwinismus“ (Dennert 1903).
Thomas Junker. „Die große Krise des Darwinismus.“ In Eve-Marie Engels (Hrsg.). Charles Darwin und seine Wirkung. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Nr. 1903. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009, S. 231-254.
Ein verborgenes internationales Netzwerk: Der synthetische Darwinismus (2009)
- Under the debris left over by the Third Reich German scientific evolutionary biology was hidden to a large extent. As a consequence it was assumed that the modern (synthetic) theory of evolution had its origin in the United States and England. This, however, was not the case, but it originated as part of a broad international network, in which scientists from the Soviet Union and Germany played a central role. The ideological, political and military conflicts of the time impeded their close cooperation, but did not destroy it. This „International network model“ is compared with two alternative hypotheses about the geographic origin of the modern theory of evolution in the 1930s and 1940s („Out-of-America-“ and „Multiregional model“). In conclusion, I discuss various reasons that explain the opposition to the idea of an international Darwinian network.
Thomas Junker. „Ein verborgenes internationales Netzwerk: Der synthetische Darwinismus.“ In Heiner Fangerau & Thorsten Halling (Hrsg.). Netzwerke. Allgemeine Theorie oder Universalmetapher in den Wissenschaften? Ein transdisziplinärer Überblick. Bielefeld: transcript, 2009, S. 199-213.
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Charles Darwin, Carl Nägeli und das Rätsel der ‚neutralen Merkmale’ (2009)
- Charles Darwins Origin of Species (1859) war nicht der erste Versuch, die Entstehung der Arten auf natürliche Weise zu erklären, aber es war das erste als überzeugend empfundene Modell. Die zeitgenössischen Naturforscher haben Darwins Vorstellungen aber nicht kritiklos übernommen, sondern sie begannen die einzelnen Elemente seines Systems gezielt zu überprüfen. Und sie entwickelten alternative Szenarien. Eine der interessantesten offenen Fragen betraf die Reichweite der natürlichen Auslese: Werden alle oder die überwiegende Mehrzahl der biologischen Merkmale direkt oder indirekt durch die Selektion geprägt, oder gibt ob es noch weitere, ergänzende Evolutionsmechanismen? Lässt sich Darwins These, dass alle biologischen Merkmale – jetzt oder in der Vergangenheit, direkt oder indirekt – von Nutzen für ihre Träger sind oder waren, bestätigen, oder gibt es sog. neutrale Merkmale, auf die das nicht zutrifft? Diese Kontroverse begann schon wenige Monate nach der Veröffentlichung von Origin of Species und sie wurde mit wechselnden Schwerpunkten bis in die Gegenwart fortgeführt. Der Artikel wird auf ihren historischen Ursprung, vor allem auf die Auseinandersetzung zwischen Charles Darwin und dem bedeutenden Schweizer Botaniker Carl Nägeli (1817-1891) eingehen. Abschließend wird dann die weitere historische Entwicklung der Diskussionen um die ‚Allmacht der Naturzüchtung’ und das ‚adaptationist programme’ kurz skizziert.
- Charles Darwin’s Origin of Species (1859) was not the first attempt to explain the origin of species on a purely natural basis, but it was the first model widely considered as convincing. The naturalists of the time, however, did not accept Darwin’s ideas uncritically, but they began to test specific elements of his system. And they developed alternative scenarios. One of the most interesting open questions concerned the scope of natural selection. Does it shape all or most biological traits directly or indirectly, or is it necessary to take additional evolutionary mechanisms into account? Is it possible to demonstrate the validity of Darwin’s notion that all biological traits are or have been useful for the individual organism or are there so called neutral traits, which are neither useful nor harmful? This controversy began soon after the publication of Origin of Species and it continued with changing focus until the present. The article will describe its historical origin, in particular the dispute between Charles Darwin and the renowned Swiss Botanist Carl Nägeli (1817-1891). In conclusion it will sketch the ensuing historical development of the discussions about the ‘all-sufficiency of natural selection’ and the adaptationist programme.
Thomas Junker. „Charles Darwin, Carl Nägeli und das Rätsel der ‚neutralen Merkmale’.“ In Jürg Stöcklin und Ekkehard Höxtermann (Hrsg.). Darwin und die Botanik. Beiträge eines Symposiums der Schweizerischen Botanischen Gesellschaft und der Basler Botanischen Gesellschaft zum Darwin-Jahr 2009. Rangsdorf: Basilisken-Presse, 2009, S. 192-211.
Charles Darwin und die darwinsche Revolution (2009)
- Vor 200 Jahren wurde Charles Darwin, der Begründer der modernen Evolutionstheorie geboren; vor 150 Jahren erschien sein wichtigstes Werk: On the origin of species. Wer waren Darwins Vorläufer, was war das Besondere an seinem Modell und warum konnte er die Wissenschaftler von der Richtigkeit der Evolutionstheorie überzeugen? Nach einer kurzen Einführung in Darwins Leben werden einige seiner zukunftsweisenden Werke und Ideen besprochen. Zunächst wird es um Darwins bedeutendste Theorie gehen: das Prinzip der natürlichen Auslese. Nach einem kurzen Blick auf seine (weitgehend fruchtlosen) Bemühungen, die Ursachen der erblichen Variabilität aufzuklären, wird mit der sexuellen Auslese seine vielleicht provokativste, erst in den letzten Jahrzehnten gewürdigte Theorie im Vordergrund stehen. Abschließend wird es um die Frage gehen, warum die Darwinsche Revolution bis heute erbittert bekämpft wird.
Thomas Junker. „Charles Darwin und die darwinsche Revolution,“ Praxis der Naturwissenschaften – Biologie in der Schule (2009), Heft 3/58, S. 4-11.
Was ist Darwinismus? (2009)
- Bis heute definiert sich die Evolutionsbiologie auch durch den Verweis auf ihren Begründer – Charles Darwin. Und dies trotz teilweise recht weitgehender Veränderungen an seinem ursprünglichem Modell, denn Darwins zentrale These, die er auch im Titel seines Hauptwerkes formulierte, hat überlebt, da nur auf diese Weise die Anpassungen der Organismen an die belebte und unbelebte Umwelt zufriedenstellend erklären werden können: On the origin of species by means of natural selection – Über die Entstehung (und die Evolution) der Arten durch natürliche Auslese. Darwins natürliche Erklärung der Entstehung der Organismen durch Evolution und Selektion ist heute so gut bestätigt, dass sie als Tatsache bezeichnet werden muss. Ob die Selektion einer von mehreren kausalen oder der alles dominierende Faktor ist, dies war und ist aber weiter umstritten. Darwin selbst hat im Laufe der Jahre verschiedene Möglichkeiten gelten lassen und so können sich beide Positionen zu Recht auf ihn berufen. Solange es diese Kontroverse und den Streit darüber gibt, wer wahren Erben Darwins sind, solange wird es wohl mehrere ‚Darwinismen’ geben. Und so ist die Frage ‚Was ist Darwinismus?’ immer auch eine Frage nach der Zukunft des von Darwin angestoßenen Forschungsprogramms.
Thomas Junker. „Was ist Darwinismus?“ Aufklärung und Kritik Sonderheft 15 (2009): 21-28.
Neutrale Evolution (2009)
Thomas Junker. „Stichwort: Neutrale Evolution,“ Naturwissenschaftliche Rundschau 62 (2009): 389-390.
Die Entdeckung der Evolution (2008)
Thomas Junker. „Die Entdeckung der Evolution.“ In Gott oder Darwin? Vernünftiges Reden über Schöpfung und Evolution. Hg. von Joachim Klose & Jochen Oehler. Berlin: Springer, 2008, S. 105-117.
Der Darwinismus als internationales Netzwerk: Die 1930er und 1940er Jahre (2006)
- Dieser Artikel soll auf eine Wiederentdeckung aufmerksam machen: Unter den Trümmern, die das Dritte Reich hinterlassen hat, war auch die wissenschaftliche Evolutionsbiologie in Deutschland weitgehend verschüttet. Entsprechend wurde postuliert, dass die moderne (synthetische) Evolutionstheorie ihren Ursprung in den USA und England hatte. Dies war indes nicht der Fall, sondern sie entstand als Teil eines breiten internationalen Netzwerkes, in dem Forscher aus der Sowjetunion und Deutschland eine zentrale Rolle spielten. Durch die ideologischen und politischen Kämpfe der Zeit wurde die enge Zusammenarbeit behindert, aber nicht zerstört. Die Validität dieses „Internationalen Netzwerk-Modells“ wird durch den Vergleich mit zwei alternativen Hypothesen zur geographischen Entstehung der modernen Evolutionstheorie in den 1930er und 40er Jahren überprüft („Out-of-America-“ und „Multiregionales Modell“). Abschließend werden einige Ursachen diskutiert, die den Widerstand gegen die Idee eines internationalen darwinistischen Netzwerkes erklären.
- With this article I want to draw attention to a rediscovery: Under the debris left over by the Third Reich German scientific evolutionary biology was hidden to a large extent. As a consequence it was assumed that the modern (synthetic) theory of evolution had its origin in the United States and England. This, however, was not the case, but it originated as part of a broad international network, in which scientists from the Soviet Union and Germany played a central role. The ideological, political and military conflicts of the time impeded their close cooperation, but did not destroy it. This „International network model“ will be compared with two alternative hypotheses about the geographic origin of the modern theory of evolution in the 1930s and 1940s („Out-of-America-“ and „Multiregional model“). In conclusion, I will discuss various reasons that explain the opposition to the idea of an international Darwinian network.
Thomas Junker. „Der Darwinismus als internationales Netzwerk: Die 1930er und 1940er Jahre.“ In Netzwerke – Beiträge zur 13. Jahrestagung der DGGTB in Neuburg an der Donau 2004. Hg. von Michael Kaasch, Joachim Kaasch und Volker Wissemann. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 12. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2006, S. 19-33.
Carl Nägeli und der Anti-Darwinismus – Von der Vervollkommnungstheorie zur Makroevolution (2002)
Thomas Junker. „Carl Nägeli und der Anti-Darwinismus – Von der Vervollkommnungstheorie zur Makroevolution.“ In Pratum floridum. Festschrift für Brigitte Hoppe. Hg. von Menso Folkerts, Stefan Kirschner und Andreas Kühne. Algorismus, Heft 38. Augsburg: Rauner, 2002, S. 205-19.
Darwinismus oder Synthetische Evolutionstheorie? (2002)
- Seit den 1930er Jahren gibt es Bestrebungen, den traditionellen Namen ‚Darwinismus’ für die selektionistische Variante der Evolutionstheorie durch ‚Synthetische Theorie’ oder andere Namen zu ersetzen. Dieser Disput um die korrekte Bezeichnung der modernen Evolutionstheorie ist weit mehr als ein Streit um Worte, sondern die Präferenzen für bestimmte Namen repräsentieren auch inhaltliche Denkrichtungen. In meinem Artikel werde ich einige der Vorschläge schildern, die unter den verschiedenen historischen und geographischen Bedingungen gemacht wurden. Nach einer Diskussion der jeweiligen Motive werde ich der Frage nachgehen, warum sich nur ‚Synthetische Theorie’ durchsetzen konnte. Abschließend werde ich erörtern, was dies für unser Verständnis der Geschichte der Evolutionstheorie bedeutet und einen nomenklatorischen Vorschlag machen.
- Since the 1930s there were attempts to replace the traditional name ‚Darwinism’ for the selectionist version of the theory of evolution by ‘synthetic theory’ or other names. The ensuing controversy about the accurate name for the modern theory of evolution is more than a dispute about words, but the preferences for certain names are associated with conceptual interpretations. In the article I will portray some of the proposals that were made under various historical and geographical conditions. After a discussion of the respective motives I will look into the question, why only ‘synthetic theory’ gained acceptance. In conclusion, I will discuss the consequences of this situation for our understanding of the history of the theory of evolution and make a terminological suggestion.
Thomas Junker. „Darwinismus oder Synthetische Evolutionstheorie?“ In Die Entstehung biologischer Disziplinen II – Beiträge zur 10. Jahrestagung der DGGTB in Berlin 2001. Hg. von Uwe Hoßfeld und Thomas Junker. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 9. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2002, S. 209-30.
Wandte sich Bernhard Rensch in den Jahren 1933-38 aus politischen Gründen vom Lamarckismus ab? (2001)
- Im Fall von Renschs Abwendung vom Lamarckismus in den Jahren 1934-38 lässt sich trotz relativ günstiger Quellenlage eine entscheidende Bedeutung politischer Faktoren nicht mit Sicherheit feststellen oder ausschließen. Meine Analyse macht aber deutlich, dass für das Verständnis der Geschichte der Evolutionstheorie des 20. Jahrhunderts sowohl wissenschaftliche als auch wissenschafts-externe Bedingungen in Betracht gezogen werden müssen. Die Ereignisse um Rensch geben ein Beispiel dafür, wie Wissenschaftler in der Hitler-Diktatur durch die Kombination von öffentlichen Angriffen und beruflichen Repressionen zur Konformität mit dem Regime gezwungen werden sollten. Es muss betont werden, dass Rensch das Opfer staatlicher Einschüchterung war und keiner der willigen Täter. Von vorauseilendem Gehorsam ist bei ihm nichts zu spüren, sondern nur vom Versuch, so wenig wie möglich nachzugeben, ohne zugleich seine berufliche Laufbahn und Existenz zu gefährden. Eine offene wissenschaftliche Diskussion (beispielsweise über den Lamarckismus) war unter solchen Umständen nur noch bedingt möglich, da Widersprüche und Gegenargumente nicht offen geäußert werden konnten. Für die weitere Entwicklung der Selektionstheorie in Deutschland war diese Situation insofern hemmend, als ihre Überlegenheit nicht inhaltlichen Argumenten sondern politischen Pressionen zugeschrieben werden konnte.
- Bernhard Rensch (1900-1990) is known as one of the most important architects of the Synthetic Theory of Evolution. The Synthetic Theory is a Darwinian theory and considers selection to be the major directing force in evolution; in contrast to nineteenth century Darwinism, however, it rejects Lamarckian ideas. During the 1930s some of the Lamarckians abandoned their former belief in the inheritance of acquired characteristics and became pure selectionists; one of them was Rensch. In personal recollections scientific reasons for this decision have been reported. Little, however, is known about the actual stages of this change in theoretical outlook. And there is no analysis how the political context may have influenced this process, although Lamarckism had been a politically sensitive topic since the early twentieth century. My article will demonstrate how scientific arguments and political pressures both shaped Rensch’s attitude towards Lamarckism.
Thomas Junker. „Wandte sich Bernhard Rensch in den Jahren 1933-38 aus politischen Gründen vom Lamarckismus ab?“ In Darwinismus und/als Ideologie. Hg. von Uwe Hoßfeld und Rainer Brömer. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 6. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2001, S. 287-311.
Synthetische Theorie, Eugenik und NS-Biologie (2000)
- Eugenics (racial hygiene) was one major topic where conflicts between evolutionary biology, genetics and national socialist politics could arise and where biologist could to disclose their loyalty to the Third Reich. My study will demonstrate how the architects of the evolutionary synthesis in Germany (Erwin Baur, Wilhelm Ludwig, Bernhard Rensch, Nikolai Vladimirovic Timoféeff-Ressovsky, and Walter Zimmermann) and other biologists (Konrad Lorenz, Karl Mägdefrau, Hans Bauer, Franz Schwanitz, and Wolf Herre) dealt with this situation, by analyzing their scientific and political ideas in the way introduced in the preceding essay. One result is that most of the authors promoted eugenic ideas, but only half of them adopted the racist interpretation of the Third Reich. Another finding is that there existed no direct connection between party membership and promotion of the state ideology. Neo-Darwinist biologist in general had no closer institutional or conceptual attachment to the Third Reich than their Lamarckist or Idealist opponents.
Thomas Junker. „Synthetische Theorie, Eugenik und NS-Biologie.“ In Evolutionsbiologie von Darwin bis heute. Hg. von Rainer Brömer, Uwe Hoßfeld und Nicolaas A. Rupke. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 4. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2000, S. 307-60.
Adolf Remane und die Synthetische Theorie (2000)
- Adolf Remane war einer der einflußreichsten Zoologen im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Er wurde vor allem als Phylogenetiker, Morphologe und Ökologe bekannt. Seine Hauptwirkungszeit fällt mit der Entstehung und frühen Rezeption der Synthetischen Theorie der Evolution zusammen (1937-47), die er energisch ablehnte. In dem Artikel werden mögliche persönliche, disziplinäre, institutionelle und politische Ursachen für die Kontroverse zwischen Remane und den Vertretern der Synthetischen Theorie erörtert. In Bezug auf die inhaltliche Ebene werden zunächst die übereinstimmenden Ansichten zur Abstammungstheorie, zum Lamarckismus, zum Saltationismus und zur Orthogenese dargelegt. Den Schwerpunkt des Artikels bildet dann eine Analyse der theoretischen Differenzen über die Makroevolutionsproblematik sowie die Mutations- und Selektionstheorie. Ein Ausblick auf die Jahre nach 1945 weist auf die Relevanz dieser Kontroverse für die weitere Entwicklung der Evolutionstheorie in Deutschland hin.
- Adolf Remane was one of the most influential zoologists in twentieth century Germany. He became known as a phylogeneticist, morphologist, and ecologist. The time of his major influence coincides with the formation and early reception of the synthetic theory of evolution (1937-47), which he emphatically rejected. My article will discuss possible personal, disciplinary, institutional and political reasons for the controversy between Remane and the architects of the synthetic theory. With regards to the content of the controversy I will first outline common ideas about the theory of descent, Lamarckism, saltationism, and orthogenesis. The main focus of the article will be an analysis of the theoretical differences about the problem of macroevolution, as well as the theories of mutation and selection. Few remarks about the years after 1945 will document the importance of this controversy for the further development of the theory of evolution in Germany.
Thomas Junker. „Adolf Remane und die Synthetische Theorie.“ In Berichte zur Geschichte der Hydro- und Meeresbiologie und weitere Beiträge zur 8. Jahrestagung der DGGTB in Rostock 1999. Hg. von Ekkehard Höxtermann, Joachim Kaasch, Michael Kaasch und Ragnar K. Kinzelbach. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 5. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2000, S. 131-57.
Ganzheit und genetisches Milieu: Holistische Ansätze in der modernen Evolutionsbiologie (2000)
- Die historischen und politischen Entstehungsbedingungen holistischer Theorien im modernen Darwinismus sind vielfältig. Z.T. lassen sie sich auf Charles Darwin und andere Biologen des 19. Jahrhunderts zurückführen. Im 20. Jahrhundert setzte sich in der Synthetischen Theorie die russische bzw. sowjetische Interpretation sowohl in Deutschland als auch den USA weitgehend durch, während in der Sowjetunion der Stalinismus diese Forschungsrichtung fast vollständig zum Erliegen brachte. Es gab auch eine kontinental-europäische Version organismischen Denkens, die aus der Systematik und Paläontologie kam, und die die Vorstellungen von Rensch und Mayr prägte. Organismisches Denken fand sich in der frühen Sowjetunion, den bürgerlichen Demokratien und im Dritten Reich; eine eindeutige Zuordnung zu konservativen oder reaktionären politischen Systemen ist also nicht gegeben.
- Obwohl politische und gesellschaftliche Einflüsse eine beträchtliche Rolle spielen, ist die holistische Denkweise aber zum größten Teil durch die biologische Disziplin und Methode der jeweiligen Autoren bedingt. Naturforscher, die mit ganzen Organismen arbeiten (Systematiker, Paläontologen, Embryologen, Morphologen u.a.) sind meist holistischer gesinnt als die Vertreter der neuen experimentellen Richtungen (Genetik, Molekularbiologie). Die Synthetische Theorie war auch eine Synthese dieser beiden Richtungen, und entsprechend weist sie beide Tendenzen auf. Die Populationsgenetik, eine stark reduktionistische Schule, faßte die Evolution als die Veränderung von Genhäufigkeiten durch Selektion auf, während die holistische Richtung, die in der Tradition der klassischen Fächer stand, die Interaktionen und hierarchischen Beziehungen in den Vordergrund stellte. Die synthetische Leistung der Synthetischen Theorie bestand auch in der Verbindung der experimentell-reduktionistischen Auffassung der Genetiker mit der beobachtend-holistischen Methode der Naturforscher aus den klassischen Disziplinen.
Thomas Junker. „Ganzheit und genetisches Milieu: Holistische Ansätze in der modernen Evolutionsbiologie.“ In Einheit und Vielheit: Organologische Denkmodelle in der Moderne. Hg. von Barbara Boisitis und Sonja Rinofner-Kreidl. Studien zur Moderne, Bd. 11. Wien: Passagen-Verlag, 2000, S. 65-81.
Was war die Evolutionäre Synthese? Zur Geschichte eines umstrittenen Begriffes (1999)
Thomas Junker. „Was war die Evolutionäre Synthese? Zur Geschichte eines umstrittenen Begriffes.“ In Die Entstehung der Synthetischen Theorie: Beiträge zur Geschichte der Evolutionsbiologie in Deutschland 1930-1950. Hg. von Thomas Junker und Eve-Marie Engels. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 2. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1999, S. 31-78.
Morphologie und Synthetische Theorie (Interview mit Dietrich Starck) (1999)
Uwe Hoßfeld & Thomas Junker. „Morphologie und Synthetische Theorie (Interview mit Dietrich Starck).“ In Die Entstehung der Synthetischen Theorie: Beiträge zur Geschichte der Evolutionsbiologie in Deutschland 1930-1950. Hg. von Thomas Junker und Eve-Marie Engels. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 2. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1999, S. 227-40.
‘Vermittler dieses allgemeinen geistigen Handels’: Charles Darwins deutsche Verleger und Übersetzer bis 1882 (1999)
- Wir schildern die Entstehungsbedingungen der Übersetzungen verschiedener Werke Darwins, geben biographische Hinweise zu den Übersetzern, gehen Motiven für ihre Übersetzung nach und erläutern Darwins eigene Präferenzen und Vorstellungen. Die Werke selbst können dabei nur andeutungsweise erwähnt werden. Der für unsere Fragestellung interessanteste Zeitraum sind die Jahre zwischen 1859, der Veröffentlichung von Origin of Species, und 1868, als sich Carus als ‘offizieller’ Übersetzer Darwins etabliert hatte. Bekannt wurden vor allem drei deutsche Übersetzer Darwins: Ernst Dieffenbach übersetzte Darwins Journal of Researches (1839) in der 1840ern. Heinrich Georg Bronn besorgte zwei Ausgaben von Origin of Species (1859) und die Übersetzung von Orchids (1862). Julius Victor Carus übersetzte alle anderen wichtigen Werke Darwins und überarbeitete die Übersetzungen von Dieffenbach und Bronn. Darüber hinaus gab es aber noch eine ganze Reihe anderer Anfragen von Übersetzern und Verlegern, die deutschsprachige Ausgaben von Darwins Werken erstellen wollten. Eine überraschend große Zahl von Briefen in Darwins Korrespondenz dreht sich um Übersetzungen, um inhaltliche Aspekte ebenso wie um rechtliche Fragen. Diese Briefe haben bisher nur wenig Beachtung gefunden; ihre Analyse eröffnet aber neue Gesichtspunkte: Darwin war schon um 1865 in Deutschland so bekannt, daß es für Verleger und Übersetzer attraktiv erschien, sich um die Rechte an seinen Werken zu bemühen. Dies ist auch insofern ein wichtiger Anhaltspunkt, als nur sehr wenige Details über die Verbreitung und Leserschaft von Darwins Büchern in Deutschland erhalten sind. Selbst Angaben über Auflagenzahlen der Übersetzungen sind für die frühen Ausgaben rar und müssen aus dem Briefwechsel von Darwin rekonstruiert werden.
Thomas Junker & Dirk Backenköhler. „‘Vermittler dieses allgemeinen geistigen Handels’: Charles Darwins deutsche Verleger und Übersetzer bis 1882.“ In Repräsentationsformen in den biologischen Wissenschaften. Hg. von Armin Geus, Thomas Junker, Hans-Jörg Rheinberger, Christa Riedl-Dorn und Michael Weingarten. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 3. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1999, S. 249-79.
Charles Darwin und die Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts (1998)
Thomas Junker. „Charles Darwin und die Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts.“ In Geschichte der Biologie. Hg. von Ilse Jahn. 3., neubearb. Auflage. Stuttgart/Jena: Gustav Fischer, 1998, S. 356-85, 703-09. Neudruck: Heidelberg/Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000.
Darwinismus, Materialismus und die Revolution von 1848 in Deutschland. Zur Interaktion von Politik und Wissenschaft (1995)
- Auf welche Weise hat die Revolution von 1848 die Rezeption des Darwinismus in Deutschland beeinflusst? Jede politische Revolution wird entscheidend von geistigen Auseinandersetzungen vorbereitet, begleitet und mitentschieden. Entsprechend werden die Sieger einer politischen Umwälzung versuchen, auch den weltanschaulichen Kampf zu ihren Gunsten zu entscheiden. Unter bestimmten Voraussetzungen können sich auch politisch unterlegene soziale Gruppen – in unserem Falle das liberale Bürgertum – ideologisch behaupten. Eine entscheidende Rolle in der geistigen Auseinandersetzung des liberalen Bürgertums mit dem politischen Gegner, den feudalen (Klein)-Staaten, und ihrer ideologischen Hauptstütze, dem christlichen Theismus, spielten die Naturwissenschaften. Bereits im Vormärz gab es in den Naturwissenschaften starke Bestrebungen, religiöse und idealistische Elemente zu beseitigen: Die idealistische und vitalistische Naturphilosophie wurde zunehmend von der empiristischen und reduktionistischen Naturwissenschaft verdrängt.
- Der Misserfolg der Revolution von 1848 beschleunigte und radikalisierte diese Tendenz, indem er den politischen Kampf behinderte und nur die geistige Auseinandersetzung auf bestimmten Gebieten zuließ. Der wissenschaftlich sehr erfolgreiche, chemisch-physikalische Reduktionismus in der Physiologie wurde von verschiedenen Autoren als Basis für Angriffe auf religiöse Glaubenssätze benutzt. Diese, von der Physiologie geprägte Phase der ideologischen Kontroverse hatte ihren Höhepunkt im Materialismus-Streit von 1854. Die materialistische Position hatte aber einen entscheidenden Schwachpunkt: Die Biologie der 1850er Jahre war nicht in der Lage, die Entstehung einer biologischen Art und Begriffe der idealistischen Morphologie wie ‘Bauplan’ oder ‘Typus’ materialistisch zu erklären.
- Darwins Theorien der gemeinsamen Abstammung und der Selektion (1859) konnten diese Lücken schließen. Während die Materialisten das Ende der religiösen Teleologie und die Erklärung der Entstehung der Arten (vor allem des Menschen) begrüßten, konnten die Morphologen die inzwischen als obsolet empfundene Theorie der ideellen Baupläne ersetzen. Darwins Theorien wiederum gewannen durch die Verbindung mit dem populären Materialismus weite Verbreitung und durch die Synthese mit der Morphologie wissenschaftliche Respektabilität sowie ein zukunftsweisendes Forschungsprogramm. Die Tatsache, dass Darwins Theorien in keinem anderen Land so positiv aufgenommen wurden wie in Deutschland, ist also auch eine Folge der antifeudalen und antireligiösen Haltung vieler bürgerlicher Wissenschaftler nach der Revolution von 1848. Diese These wurde mit der Beobachtung untermauert, dass sich eine weitgehende Kontinuität der Personen in den einzelnen Etappen der untersuchten Entwicklung feststellen lässt. In der Person Haeckels, der Morphologe, politisch liberal, Materialist, Darwinist und populärer Autor war, sind die verschiedenen Strömungen verschmolzen. Im abschließenden Kapitel schließlich habe ich auf alternative Einflüsse auf den Darwinismus, auf den historischen Endpunkt der geschilderten Entwicklung und auf offene Fragen verwiesen.
- In recent years, the question of national styles in science has received increasing attention. The different forms of Darwinism that emerged in the nineteenth century provide an impressive example of the role of non-scientific factors in the development of scientific ideas. Although the reception of the Darwinian theories has been acknowledged to differ according to distinct national traditions even in Darwin’s time, there have been few systematic efforts to understand the underlying causal factors. Usually these explanations have conceived of the relationship of science to its social and political context as a distortion of science by ideology. In contrast to this picture I attempt to demonstrate here how a scientific research program was situated in a concrete historical context. The German tradition of Darwinism in the nineteenth century will be described as a coalition of political liberalism, materialism, and morphology. Whereas the liberals used Darwinism to give their anti-religious and progressive program a naturalistic foundation, the morphologists appreciated that Darwinian theory allowed them to dispense with the idealistic origins of their research program, and the materialists were provided with a naturalistic explanation of the origin of organic form.
Thomas Junker. „Darwinismus, Materialismus und die Revolution von 1848 in Deutschland. Zur Interaktion von Politik und Wissenschaft,“ History and Philosophy of the Life Sciences 17 (1995): 271-302.
Zur Rezeption der Darwinschen Theorien bei deutschen Botanikern (1859-1880) (1995)
Thomas Junker. „Zur Rezeption der Darwinschen Theorien bei deutschen Botanikern (1859-1880).“ In Die Rezeption von Evolutionstheorien im 19. Jahrhundert. Hg. von Eve-Marie Engels. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Nr. 1229. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1995, S. 147-181.
Albert Wigands Genealogie der Urzellen und die Darwinsche Revolution (1993)
- 1872 veröffentlichte der Botaniker Albert Wigand eine antidarwinistische Theorie, die Genealogie der Urzellen. Am Beispiel dieser Theorie soll die Frage diskutiert werden, ob es eine Darwinsche Revolution gab. Dabei zeigt sich, daß die Motivation für Wigands Theorie aus seinen religiösen, politischen und methodologischen Vorstellungen zu erklären ist. Die konkrete Form seiner Theorie läßt sich trotz gewisser naturphilosophischer Einflüsse auf eine Analogiebildung zwischen der Metamorphose der Blätter und der Stammesgeschichte der Arten zurückführen (ontogenetisches Paradigma). Wigands Theorie der Genealogie der Urzellen gibt einen Eindruck von der Bedeutung, die Darwins Theorien in der Biologie des 19. Jahrhunderts hatten. Dies gilt sowohl für die Evolutionstheorie als auch für die Selektionstheorie.
- In 1872 the German botanist Albert Wigand published an anti-Darwinian theory, the Genealogie der Urzellen. This theory can serve as a case study to decide whether there has been a Darwinian Revolution. Wigand’s motivation to publish his pamphlet will be explained out of his religious, political and methodological convictions. Although there seems to be a certain impact of Naturphilosophie, the special form of his theory is primarily determined by the analogy between the metamorphosis of leaves and phylogeny (ontogenetic paradigm). Wigand’s Genealogie der Urzellen gives an impression of the great importance and influence of Darwin’s Origin of Species. This holds true for the evolution theory as well as the theory of natural selection.
Thomas Junker. „Albert Wigands Genealogie der Urzellen und die Darwinsche Revolution,“ Biologisches Zentralblatt 112 (1993): 207-14.
Heinrich Georg Bronn und die Entstehung der Arten (1991)
- Heinrich Georg Bronn gilt als einer der bedeutendsten Paläontologen des 19. Jahrhunderts. 1857 hatte sich Bronn noch eindeutig für eine Konstanz biologischer Arten ausgesprochen und jede Form evolutiver Entwicklung abgelehnt. Als Charles Darwins Origin of Species Ende 1859 erschien, setzte sich Bronn gleichwohl mit großem persönlichem Einsatz für eine deutsche Übersetzung dieses Werkes ein. Bronn äußerte zwar kritische Einwände, vermutete aber zugleich, dass Darwins Theorie die Zukunft gehören werde. Bronns Verhalten ist insofern bemerkenswert, als er (1859) bereits knapp 60 Jahre alt war und ein religiöses Weltbild vertrat. Anhand früher Schriften Bronns und mit Hilfe des Briefwechsels zwischen Darwin und Bronn soll versucht werden, Bronns Beweggründe nachzuvollziehen.
- Heinrich Georg Bronn, one of the leading nineteenth-century palaeontologists was also known as the translator of Charles Darwin’s Origin of Species. He undertook his translation soon after the publication of Darwin’s work and added a critical postscriptum. Still in 1857 Bronn had written unambiguously in favour of the constancy of biological species. After the publication of Origin of Species he thought that in spite of a number of objections which could be brought forward, the future belonged to Darwin’s theory and supported with great commitment its spreading. It is puzzling that Bronn did so when he was almost 60 and committed to a religious outlook. The history of the reception of Darwin’s doctrine shows that, as a rule, older scientists with such religious worldviews would not support Darwin. The analysis of Bronn’s earlier writings and the correspondence between Darwin and Bronn will throw light on the reasons why he represented an exception. Bronn’s opinion of Darwin’s theory shows the wide gap between the older typologically-inclined natural history and Darwin’s evolutionary theory. To conclude, Bronn’s translation of the Origin of Species as well as his postscriptum were of considerable importance for the reception of Darwin’s ideas in the German-speaking world.
Thomas Junker. „Heinrich Georg Bronn und die Entstehung der Arten,“ Sudhoffs Archiv 75 (1991): 180-208.
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